Bestimmt ist die Auflösung – nein, noch nicht der herzförmigen Wolke – vorerst nur des Kürzels Ac str pe1, namentlich: Altocumulus stratiformis perlucidus.
Unbestimmt ist die Richtigkeit der Zuordnung. Anderer Vorschlag nach diesem Einschub:
Meteorologen benutzen die lateinischen Termini, um Wolken zu definieren und zu beschreiben. In allgemeinen Unterhaltungen sind meistens nur die drei ursprünglichen Gattungsnamen, wie sie Luke Howard 1802 entwickelt hat: Cumulus, Cirrus, Stratus2.
Auf Deutsch und unter Meteo-AmateurInnen wird aus Altocumulus stratiformis perlucidus eine mittelhohe (Alto) Haufenwolke (Cumulus) schichtförmig (stratiformis) durchsichtig durch Lücken (perlucidus).
So weit, so gut, meint die Dilettantin und bestimmt heiter weiter – jedoch erst nach erneutem Schauen in Wolkenatlanten3, 4, 5. Siehe da:
Aufklarung für die Vergleichende, Sinken fürs Wolkenherz von der mittleren Wolkenetage in die erste der drei – ins tiefe Stockwerk, das von 0 bis 2 km6 reicht. Tiefe ist das Stichwort für einen weiteren Einschub, in welchem es nicht um die tiefe Höhe von kondensiertem Wasserdampf geht, sondern um die Tiefe des Thunersee-Grundes.
Am Sonntag, 16. Februar 2020, lockte nicht das sonnige Himmelblau an den Thunersee, sondern ein Spaziergang im See – richtig im See, nicht entlang. Ungefähr alle vier Jahre wird der See abgesenkt und dessen ufernaher Grund sichtbar. Im Hinblick aufs Segeln – zYnoms metertiefer Kiel soll weiterhin weder auffahren noch einstecken – reisten wir nach Thun. Wir frischten unser Wissen auf bezüglich Untiefen im unteren Seebecken, insbesondere in der Pfaffenbühlbucht7.
Zurück zum Wolkenherz, welches nun ins tiefe Stockwerk eingezogen und unbenannt ist in:
Cu mam pe8, in Cumulus mamma perlucidus oder Haufenwolke mit beutelförmigen Auswüchsen an der Wolkenunterseite durchsichtig durch Lücken.
Noch weiter zurück zum Vergleich mit Luke Howards Definition von Cumulus:
Convex or conical heaps, increasing upward from a horizontal base9 – übersetzt von mir: Gewölbte oder konische Haufenwolken von einer waagrechten Grundfläche nach oben zunehmend.
Erfreut das Wolkenherz nun mehr durch die wörtliche Be-Zeichnung?
Fasziniert die Wolke im Bild – wo sie gleich auch noch ihrem natürlichen Los der Auflösung entgeht – nicht bereits reichlich?
Unbestritten: Das Vergängliche im Foto unvergänglich festgehalten, berührt stark Augen und Gefühl allein durch seine Form. Soll auch der Inhalt der Erscheinung die Betrachtenden begeistern, gewinnt das Bezeichnen an Bedeutung. Ha, welch‘ eine Offenbarung – jetzt wegklicken… oder bleiben für einen Zeitensprung?
Vor 1800 schien es unmöglich, die sehr beweglichen, veränderlichen und vielfältigen Wolken begrifflich zu kategorisieren. Man beschrieb rein subjektiv10 – also so, wie ich es bis vor kurzem betrieb.
Wenn ab 1800 nicht nur Gottesfürchtige, Reisende zu Land oder zur See und Landwirte den Blick zum Himmel hoch richteten, dann waren das nicht Tagträumende, sondern an der Natur und ihren Abläufen Interessierte. Beobachteten sie den Himmel, dann wurden Wolken nicht mehr nur symbolisch gedeutet oder als ästhetisches Motiv in der Kunst wahrgenommen11. Nun gewannen die Naturforschenden anderes Wissen über Entstehen und Vergehen der Geschöpfe der Zirkulation – übrigens keine romantische Bezeichnung aus den 1800er Jahren, im Gegenteil: So sieht der 54jährige Wissenschaftler Bjorn Stevens12 die Wolken.
Zurück ins Gestern bevor ins Heute: Im Sommer 1803 legte Luke Howard mit dem Essay 13 On the Modifications of Clouds, wo er ausführt, dass man die Wolken in Kategorien einteilen könne, den Grundstein für die aktuelle Klassifikation der Wolken14. Wie Howards Basis der Zuordnung der Wolken, nämlich Höhe und Form, beruht auch die heutige Klassifikation auf diesen Kategorien. Wissen, Austausch und Erkenntnisgewinn übers Wetter wurden dank Begriffen und deren Einordnung einst möglich – auch heute gilt: Ohne Termini kein Wissenschaffen. Und für die Gegenwart ist besonders: Bei den Wolken handle es sich um eine Klassifikation nach dem Erscheinungsbild, was im Gegensatz zu den in den Naturwissenschaften angewandten (genetischen) Systemen stehe: Diese orientieren sich an Herkunft, Entstehung oder Verwandtschaft15.
Pausenbrot: Wolken sind Leben – kein Leben ohne Wolken.
Augen hoch zum wolkigen Himmelszeichen am 16. Februar 2020, zum physisch längst vergangenen Wolkenherz, das jedoch digital allzeit erscheint und mich bestärkt, fortzuführen, was mir seit der Kindheit gefällt: Die Himmelschau, das Reisen mit den Wolken und dabei in ihnen menschliche wie tierische Figuren, Gefühle, Handlungen … kurz: Geschichten zu lesen und die Wolkenformen zu benennen – dies nun ziemlich anspruchsvoll auf meteorologische Art. Das Cu mam pe ist das Ergebnis eines ersten Versuchs, ein Wasserdampf-Gebilde zu bestimmen.
Jedoch erst nach der Lektüre zur Klassifikation der Wolken im Internationalen Wolkenatlas:
Die Wolken befinden sich in einem ständigen Entwicklungsprozess und zeigen daher einen unendlichen Formenreichtum. Dennoch ist es möglich, eine bestimmte Anzahl auf der ganzen Erde häufig beobachteter, charakteristischer Wolkenformen zu definieren und sie zu grösseren Gruppen zusammenzufassen. Es wurde daher eine Klassifikation der charakteristischen Wolken gegliedert in „Gattungen“, „Arten“ und „Unterarten“ aufgestellt16.
Und noch vor dem Vergleich von Wolkenherz mit den Bildern im Internationalen Wolkenatlas, insbesondere mit den Fotos auf den Seiten 67 bis 12617, las ich die Prognosen von MeteoNews für die Zeit von Montag, 03. Februar 2020, bis und mit Sonntag, 16. Februar 2020. Trotz der Kenntnis davon:
Auch wenn viele Erscheinungsbilder aufgrund ihrer Entstehungsumstände gedeutet werden können, spiele es für die heutige Wolkenklassifikation keine Rolle, wie eine Wolke zu einer bestimmten Form kam18.
Kurz und zusammen gefasst steht in den MeteoNews19:
Montag, 03.02.2020:
Tief „Ottilia“ sorgte für starken Südwestwind.
Dienstag, 04.02.2020:
Tief „Petra“ brachte schwere Orkan- und Sturmböen.
Freitag, 07.02.2020:
Hoch „Frank“ verbreitet trügerische Ruhe.
Montag, 10.02.2020:
Sturmtief „Sabine“ eifert „Petra“ nach.
Dienstag,11.02.2020:
Nacht mit zweitem Sturmhöhepunkt.
Donnerstag,13.02.2020:
Tief Tomris‘ Anachronismus: Blitz und Donner.
Sonntag, 16.02.2020: Dank Föhn mild in Alpentälern; Südwestwind im Flachland mit jahresunzeitlich
hohen Temperaturwerten. Infolge gut durchmischter Luftschichten auch stark erwärmte Luft in tieferen Lagen. Jedoch zeitweise dichte mittelhohe und hohe Wolken verhinderten teilweise eine weitere Erwärmung.
Zeigt sich grad etwas ganz Anderes als ein Wolkig-Leichtes? Vielleicht das Gefühl von Zeitverschwendung?
Besonders wenn etliche Absätze weiter oben bejaht wurde, dass ein flüchtiges Phänomen am Himmel nicht der Bezeichnung durch Worte bedarf, damit es ein Mehr an Faszination auslöst. Oder wenn dem Urteil zugestimmt wird: Wolken könne man nicht in eine Ordnung zwingen; … und was sei Natur schon … doch das was sich zeige, wenn man die Augen schliesse und mit dem inneren Auge schaue – so lehnte Caspar David Friedrich Goethes Auftrag für Wolkenbilder ab; denn der Dichter stellte die Bedingung, Friedrich solle die Wolken nach Howards Klassifikation malen20.
Anderer Ansicht war John Constable, welcher ab 1820 über 100 Ölstudien von Wolken fertigte. Dieser sei jeden Sommermorgen an denselben Ort gegangen, um Himmel und Wolken zu malen. Constable sei nicht der erste gewesen, der nach dem Leben malte, nicht der Einzige, der sich Wolken zum Thema seiner Versuche erwählt hatte. Aber er habe zu den ersten gehört, der die Entdeckungen einer sich erst entwickelnden Wissenschaft nutzte, um eine neue Richtung in seinem Handwerk einzuschlagen. Die Methoden einer alten Kunst – der Malerei – und einer jungen Wissenschaft – der Meteorologie – drückten sich in Constables Anschauung so aus: Wir sehen nichts wirklich, bis wir es verstehen21.
In der Tat habe Constable gegenüber einem anderen Malerkonkurrenten, dem formauflösenden, fast wolkengleich, William Turner22 empirische Wolkenstudien betrieben und im Bewusstsein der naturwissenschaftlichen Wolkenklassifikation eine Naturgeschichte des Himmels malen wollen und nicht wie Turner den Himmel als “Ort“ höchster Energie gestalten im Sinne von: Ein Blitz könne die zerstörerische Macht eines ehemaligen Krieges oder die magische Kraft einer dunklen Epoche anzeigen22.
Ich bin sicher nicht die Einzige, für die John Constables Aussage auch heute noch zutrifft. Der Versuch das Wolkenherz zu bestimmen, lässt mich die Erscheinung am Himmel an jenem Sonntag im Februar 2020 immer noch als Wolke in Herzform sehen, jedoch beginne ich erst, die Geschöpfe der Zirkulation23 wirklich zu sehen – auch im Kopfkino. Augen schliessen, Cu mam pe murmeln: Schon zieht es auf – das Wolkenherz.
1https://www.dwd.de/DE/service/lexikon/begriffe/W/Wolkengattungen_pdf.pdf?__blob=publicationFile&v=5
2Hamblyn, Richard aus dem Englischen von Strasmann, Ilse: Die Erfindung der Wolken, suhrkamp tb 3527, 2003 S. 284
3http://www.wolken-online.de/wolkenatlas.htm
4https://www.dwd.de/DE/service/lexikon/begriffe/W/Wolkenatlas_pdf.pdf?__blob=publicationFile&v=4
5https://cloudatlas.wmo.int/en/search-image-gallery.html
6https://www.dwd.de/DE/service/lexikon/begriffe/W/Wolkengattungen_pdf.pdf?__blob=publicationFile&v=5
7Bilder im Atelier inklusive zYnom am Steg zu sehen hier: https://enwebs.ch/atelier/
8https://www.dwd.de/DE/service/lexikon/begriffe/W/Wolkengattungen_pdf.pdf?__blob=publicationFile&v=5
9Die Klassifikation der Wolken nach Howard in: https://de.wikipedia.org/wiki/Luke_Howard
besucht: 10.12.20
10,11Geschichte in: https://de.wikipedia.org/wiki/Wolke besucht: 10.12.20
12,23Stevens, Björn in Titz, Sven: Die Einkreisung der Haufenwolke; NZZ-online, 03.03.2018, 05:30 in: https://www.nzz.ch/wissenschaft/die-einkreisung-der-haufenwolken-ld.1361857#register besucht: 06.12.20
13Luke Howard: On the Modifications of Clouds (1802 gehaltener Vortrag, veröffentlicht im Philosophical Magazine 1803); Online- Lektüre: Dez.2020 in: THIRD EDITION printed by John Churchill and Sons, Burlington Street, London: 1865 https://play.google.com/books/reader?id=7BbPAAAAMAAJ&hl=de&pg=GBS.PA1
14Luke Howard https://de.wikipedia.org/wiki/Luke_Howard besucht: Dez.2020
15Internationales System in: https://de.wikipedia.org/wiki/Wolke besucht: 10.12.20
16Internationaler Wolkenatlas, 2. Aufl., Offenbach a/Main: 1990, Kapitel I Einleitung 3 Klassifikation der Wolken, S. 4, 5 In: https://www.dwd.de/DE/service/lexikon/begriffe/W/Wolkenatlas_pdf.pdf?__blob=publicationFile&v=4 besucht: 09./11.12.20
17Internationaler Wolkenatlas, 2. Aufl., Offenbach a/Main: 1990, S. 67 – S. 126 In: https://www.dwd.de/DE/service/lexikon/begriffe/W/Wolkenatlas_pdf.pdf?__blob=publicationFile&v=4 besucht: 09./11.12.20
18Internationales System in: https://de.wikipedia.org/wiki/Wolke besucht: 10.12.20
19MeteoNews von 03.02.20 bis 16.02.20 in: http://meteonews.ch/de/News/N8456/ …/N8460/…/N8480/…/N8485/…/N8487/…/N8497/… /N8508/
20Ribi, Thomas: Auf einmal sind sie da, im blauen Himmel: Vielleicht liegt der Ursprung der Welt in einer Wolke; NZZ-online, 21.08.2019, 05:30 in: https://www.nzz.ch/feuilleton/am-anfang-war-die-wolke-warum-das-fluechtigste-doch-dauer-hat-ld.1502739#register besucht am: 06.12.20
21Hamblyn, Richard aus dem Englischen von Strasmann, Ilse: Die Erfindung der Wolken, suhrkamp tb 3527, 2003 S. 248, 249
22Wagner, Monika: William Turner, Verlag C.H. Beck, München 2011, S. 2, 61, 62